... oder der Baum von Le Boéchet
Schweizer Jura, 2. Februar 1798
Der Maire (Bürgermeister) des kleinen Weilers Le Boéchet galt schon seit Längerem als weltoffener und liberaler Mann. Ettliche Einwohner des kleinen Örtchens schätzten seine weitsichtigen Ansichten. Aber nicht alle!
Le Boéchet |
Als bekannt wurde, dass sich die Franzosen wohl in Kürze in Marsch setzen würden um die Werte der Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - auch in die Lande der Eidgenossenschaft zu tragen, viel dies auf fruchtbaren Grund. Die Steuern und die Dienstpflicht gegenüber der alten Stadt Bern störte den Maire schon lange. Er sah sich ebenso als Bürger. Im Wirtshaus hatte er zusammen mit einigen anderen Einwohnern den Entschluss gefasst, die Revolution und die Freiheit selber in die Hand zu nehmen und die Franzosen würdig zu begrüssen.
Als weithin sichtbares Zeichen sollte auch in Le Boéchet ein Freiheitsbaum errichtet werden. Mit vollem Enthusiasmus machten sich einige Einwohner ans Werk. In der Schankstube war es am letzten Abend noch zu einem heftigen Wortwechsel mit dem Zimmermeister Fehrli und dem Bauern Jusspard gekommen. Es war also damit zu rechnen, dass jemand etwas gegen den Baum haben würde. Um das Vorhaben aber durchzusetzen hatten sich der Maire und seine Revolutionäre bewaffnet. Auch Madame Poussarde hatte mit vollem Eifer zu einer Heugabel gegriffen. Sie hatte von den Schriften Rousseaus gehört und kannte auch die Bücher Voltaires. Für sie war die Zeit der Gleichheit endlich gekommen!
Monsieur le Maire |
Der Freiheitsbaum wird zum Dorfplatz getragen |
Moinsieur le Maire trat erfüllt mit dem Eifer der Revolution durch die Türe seines Hauses auf den ummauerten Vorplatz. Eine passende Stange lag bereits seit einiger Zeit im Hof. Sie kam wie gerufen. Die Frauen des Dorfes hatten noch in der Nacht aus gesammeltem Reisig, Haselruten und Tannenzweigen einen Kranz geflochten. Auch sieben seiner Getreuen sammelten sich nun und traten heran. Doch 'mon Dieu' was war da zu vernehmen? Raue Männerstimmen!
Jusspard und die Bauern |
Zimmermann Fehrli und seine Getreuen |
Jusspard und Fehrli hatten noch in der selben Nacht einige der 'Harten' um sich gesammelt. 'Was d Vättre fern gwerchet hönd isch guet gsee und söll gfäll bloibe!'* Mit diesem und ähnlichen Rufen traten zwei Gruppen Männer zusammen. Bauern und Handwerker. Dieses Gewäsch von Revolution und Franzosenzeugs ging ihnen gegen den Strich. Es war früher schon gut so und so sollte es auch bleiben! Aufgebraucht setzten sich die beiden Gruppen in Richtung Dorfplatz in Marsch.
*Was die Väter früher gemacht haben war gut und soll so bleiben.
An die Barrikade! |
Die 'Harten' rücken an |
Die Männer des Maire hatten zu ihren Jagdflinten gegriffen. Sie waren fest entschlossen, das Zeichen der neuen Freiheit zu verteidigen. Drei der Männer trugen die Stange und den Kranz auf den Platz. Die anderen schoben einen Karren in den Weg der Angreifer.
Erst wird mir Worten und Argumenten gerungen |
Die Lage spitzt sich zu - Le Maire versucht noch zu vermitteln |
Der Freiheitsbaum steht - Le Maire aber flüchtet |
Mit anfangs respektvollem Abstand trafen die beiden Parteien aufeinander. Das eine Wort ergab das andere. Der Maire brachte manch kluges Argument vor, was die Bauern doch noch kurz zum Zögern brachte. Jusspard peitschte sie dann aber an. Die Leute von Fehrli machten den ersten Schritt und traten näher an den Freiheitsbaum, den die Männer des Maire mittlerweilen aufgerichtet hatten. Dieser Gesslerbaum musste weg! Die beiden Gruppen trafen vor dem Baum aufeinander. Ein Stossen und Schieben begann. Die kräftigen Handwerker konnten die Revolutionäre zurückdrängen. In der Hektik und dem Handgemenge löste sich ein Schuss. Wohl aus versehen, doch damit fiel das Schwert des Damokles nieder. Nur zwei Augenblicke später krachten weitere Flinten und der erste Mann ging zu Boden. Der Maire verlor die Nerven und flüchtete in Richtung seines Hauses. Darauf folgte ihm auch einer seiner Männer.
Madame Poussarde hat Jusspard niedergestreckt |
Handgemenge am Baum
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Aus der Überlegenheit stürmten die Harten vor. Doch im Übermut mussten sie Schläge einstecken und traten wieder ein paar Schritte zurück. Diesen kurzen Moment nutzte Madame Poussarde und stürmte wie eine Furie auf Jusspard zu. Er konnte sie nur noch verblüfft anstarren, bevor der Stiel der Gabel ihn zwischen den Beinen traf. Röchelnd ging er zu Boden. Die verdutzten Bauern sahen ihren Rädelsführer am Boden und verloren die Nerven. Das tapfere Schneiderlein zielte derweil auf Fehrli, schoss aber weit daneben und traf einen der Flüchtenden.
La Madame und das tapfere Schneiderlein stehen noch |
Die letzte Verteidigerin der Freiheit: Madame Poussarde |
Ein grauhaariger Zimmermann schlug mit der Rückseite der Axt zu und streckte das tapere Schneiderlein nieder. Die letzten beiden Revolutionäre hatten ebenfalls die Nerven verloren und rannten dem Maire hinterher zum Haus. Nur noch Madame Poussarde stand alleine beim Freiheitsbaum. Einen weitern Angreifer hatte sie bereits niedergeschlagen als Fehrli mit drei Spiessgesellen herantrat. Grimmig hielt er seine Männer zurück. Diese Furie wollte er selber rupfen. Die Madame wirbelte wieder den Stiel ihres Werkzeuges, doch der Zimmermann packte den Schaft mit grober Hand, zog die Frau heran und drosch ihr die Faust in den Leib. Madame Poussarde ging zu Boden wie ein Sack Mehl und rang nach Luft. Verzweifelt musste sie mit ansehen, wie Fehrli und die 'Harten' den schönen Freiheitsbaum zu Kleinholz schlugen.
Das Duell zwischen Madame Poussarde und Zimmermann Fehrli |
Der Baum fällt |
Kleinholz! |
Fazit:
Wasi und ich hatten uns schnell ein Szenario um den Freiheitsbaum überlegt. Rasch waren die Modelle gewählt. Die Regeln nach 'Chosen Men' haben wir über Handgelenk angepasst. Hier kam uns die jahrelange Erfahrung mit verschiedensten Systemen sehr entengen. Das Spiel sollte erzählerisch werden. Die Würfel sollten einzelnen Elemente und Wendungen entscheiden. So haben wir in den ersten Runden mittels Skilltest und Würfen auf den Moralwert entschieden, wie der Wortwechsel und die Diskussion unter den Parteien sich entwickeln würde. So kam es, dass einmal die eine Gruppe stehen blieb und auch mal die andere einen Schritt zurück machte. Auch hatten wir uns darauf geeinigt, dass die Kampfeslust der einzelnen Männer wohl sehr schnell verflogen sein würde. So haben wir jedes Mal getestet, wenn ein Modell zu Boden ging. Madame Poussarde hatte sich so gut geschlagen, dass wir ihr im verlaufe des Spieles einen Namen suchen mussten und ihre Werte etwas verbesserten.Das Spiel hatte fast schon etwas von einem Drehbuch. Es war dramatisch und wendete sich laufend. So rannte der Maire natürlich schon beim ersten Test und wollte sich einfach nicht mehr sammeln. So sah es aus, als sei das Spiel schon sehr schnell vorbei. Madame Poussarde und das tapfere Schneiderlein hatten sich aber extrem zäh gehalten. Der Ausgang des Szenarios war lange offen.
Solche Spiele sind einfach toll und spassig! Sie machen einfach Laune 😎
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