Montag, 29. Februar 2016

Frost Grave - Alea iacta est

Ein kurzer Exkurs zu Würfeln... und Frost Grave!


Letzten Samstag bin ich fast an die Decke gegangen. Der Grund: Würfelpech, bzw. das Würfelglück meines Opponenten.

Wir trafen uns für eine Runde Kings of War und er brachte drei Mörser mit. Die Dinger hauen ganz schön was raus und verursachen W6+4 Treffer. Meine grosse Hoffnung war, dass die Biester wenigstens ihr Ziel verfehlen, sie brauchen nämlich eine 5+ um zu treffen. Die Hoffnung war vergebens, da kamen nicht nur massenhaft 6en beim Treffen, sondern dann auch noch beim auswürfeln der Trefferanzahl und meine schweren Regimenter lösten sich in kurzer Zeit auf.

Sklaven des Zufalls


Ich denke solche schlechten Tage haben wir alle einmal. Wahrscheinlich schieben auch die meisten von uns ihre Misserfolge lieber mal auf ihre Würfel als auf ihre taktischen Fähigkeiten. Und tatsächlich, die Würfel sind das Zufallselement im Tabletop, neben jenen Systemen, die Kartenmechaniken benutzen. Da aber hat man dann das Problem, dass man nie die Karten, welche man möchte auf der Hand hat. Spiele gänzlich ohne Zufallselemente gibts natürlich auch, Schach ist da sicher der Elefant im Raum. Aber es gibt ja einen trifftigen Grund, wieso wir Tabletop Wargames spielen und nicht Schach: wir lieben, ja sind sogar heimlich süchtig nach dem Nervenkitzel des Würfelwurfes. Der Zufall ist im Tabletop sicher genau so wichtig wie auf den historischen Schlachtfeldern. Victor Hugo schob die Schuld an Napoleons Niederlage bei Waterloo dem Regen des Vortages zu und manch eine Armee hat sich einen Namen gemacht, weil sie es geschafft hatte, gerade zu spät zur entscheidenden Schlacht aufzukreuzen (Appenzeller der Burgunderkriege, ihr seit gemeint).

Mein Würfelglück...

Polyhedrales Allerlei


Der am weitesten verbreitete Würfel ist der sechseitige, der eben der geometrichen Würfelform entspricht. Das hat Vor- und Nachteile. Als Beispiel können die Systeme von Games Workshop dienen. Diese beruhen auf einer simplen Mechanik, welche fast jede Würfelprobe mit dem werfen eines einzelnen W6 entscheidet (Moralwert mal ausgenommen). Das führt unter anderem dazu, dass die Abstufungen der verschiedenen Profilwerte sehr grob ist, denn ein Wurf von 1 ist immer ein Misserfolg, also bleiben noch die Zahlen 2 bis 6. Kompensiert wird diese Schwäche der Games Engine durch Myriaden von Sonderregeln.

Hier kommt jetzt kein Games Workshop Rant. Vielmehr muss betont werden, wie viel Warhammer zur Herausbildung von modernen Tabletop Regeln beigetragen hat. Ein System, dass mit einer einzigen Würfelart zur Bestimmung aller Zufallsproben auskommt und grundsätzlich nur einen dieser Würfel pro Probe eingesetzt wird war eine sehr bedeutende Neuerung. Schaut man sich andere Spiele, wie Gary Gygax‘ Chainmail von Anfang der 70er anschaut findet man eine ganze Flut verschiedener Würfel, das ganze Spektrum vom W4 bis zum W20. Sogar in gewissen GW Systemen dauerte es einige Editionen bis sie das polyhedrale Erbe der 70er abgestreift hatten.

Natürlich hat jede Würfelart ihre Vor- und Nachteile für ein Tabletop Regelwerk. Ich habe auch gemerkt, dass sich persönliche Vorlieben rausbilden. Als langjähriger Dungeons and Dragons Spieler assoziere ich zum Beispiel den W8 immer mit dem D&D Profil des Langschwertes und freue mich, wenn er in einem anderen Kontext verwendet wird wie Deadzone von Mantic. Ebenfalls durch Dungeons and Dragons und dem damit verwandten D20 System habe ich den W20 sehr lieb bekommen, Spielern von 'Das Schwarze Auge' wird es ähnlich gehen. Kein anderer Würfel verkörpert für mich so ikonisch das essenzielle Rollenspielerlebnis wie der W20.

Und endlich Frostgrave


Frostgrave ist ein ganz wunderbares Spiel. Die Mechanik ist genau so simpel wie die Möglichkeiten des Spiels tief sind. Ein einzelner W20 bildet die Grundlage aller Proben. Sämtliche Profilwerte können ganz einfach auf einer Skala von 1-20 dargestellt werden. Es ist aber eben nicht nur die Einfachheit der Mechanik, sondern wie schon erwähnt die spielerische Nähe zum Rollenspiel, welche Frostgrave für mich heraushebt. Das Spiel stellt ganz klar erzählerische Elemente vor eine Buchstabengetreue Auslegung der Regeln. So kommt es zum Beispiel bei Kampagnen gerne vor, dass eine siegreicher Magier schnell deutlich stärker als seine Gegenspieler wird. Anstatt mit komplizierten Regeln diese Schwäche zu kaschieren macht Frostgrave keinerlei Anstalten sich zu Rechtfertigen. Siegreiche Magier werden halt stärker und schaffen so eine neue Herausforderung für ihre Gegner.

An einigen Stellen ist im Internet Kritik an der W20 Mechanik von Frost Grave aufgetreten (wie könnte es anders sein...). Dabei wird zum Beispiel bemängelt, dass der W20 zu zufällig sei und eine zu breite Streuung von Resultaten bringt. Das mag sein, aber so what? Frost Grave ist kein Spiel für Powergamer sondern fusst sehr stark auf einem Gentlemen’s Agreement bei dem sich beide Spieler zu einem spassigen Spiel verpflichten. Der W20 dient dabei die Story zu befördern, die wahnwitzigen Duelle in der vereisten Stadt in Zahlen zu fassen und den Rahmen vorzugeben, in dem die Spieler agieren. Hier kann man sehr von Rollenspielerfahrung profitieren, denn da spielt man anders wie im Tabletop, nicht gegeneinander, sondern zusammen und trägt seinen Teil zu einer grösseren Geschichte bei.

Wird er es schaffen?

Würfel erzählen Geschichten


Irgendwann bin ich zu einer anderen Haltung gelangt. Die Würfel sind nicht meine Freunde oder Feinde, welche allein die Funktion haben meine Pläne auszuführen oder zu vereiteln. Würfel erzählen die wirkliche Geschichte im Tabletop. Die eindrucksvollsten Momente im Tabletop sind die, wenn unvorhergesehene Dinge auf dem Schlachtfeld stattfinden. Ein einzelner Krieger der eine Übermacht im entscheidenden Moment aufhält, eine glorreiche Strategie, welche von einer einzelnen, verstopften Kanone verhindert wird oder schweres Gelände, welches mehr Tote fordert als das feindliche Feuer, das sind die Erinnerungen, welche uns bleiben. Vor einiger Zeit habe ich mit einem Freund gesprochen, der sich immer noch lebhaft an eines unserer Spiele von vor 11 Jahren erinnert, weil ein kleines Elfenregiment sich durch eine riesige Menge Bretonen gemetzelt hatte.


In dem Sinne kann ich allen nur raten sich Frost Grave anzuschauen. Dazu sollte man sich aber vom Gedanken eines simplen Schlagabtausches zweier Parteien loslösen und sich wirklich auf das Gesamterlebnis einlassen. Ich kann versprechen man wird durch ganz wunderbare Spiele belohnt werden.

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